Die Zukunft ist jetzt!

Kategorie Projekt

Ausgangslage und Ziele

Zukunftsplanung für erwachsene Menschen mit einer geistigen Behinderung, die bei ihren Eltern leben. Ein Entwicklungsprojekt.

Die demographische Alterung bei Menschen mit Behinderungen hat komplexe Folgen, die in der Schweiz noch kaum erforscht sind. Speziell betroffen sind erwachsene Menschen mit einer geistigen Behinderung, die bei ihren Eltern wohnen. Gemäss Hochrechnung der Ergebnisse von Gremaud, Charrière und Capelli (2009) sind dies in der Schweiz ca. 5000 Personen. Studien aus anderen Ländern gehen von einer weitaus höheren Zahl aus (Stamm, 2009; Bowey & McGlaughlin, 2007).

Mit der steigenden Lebenserwartung der behinderten Personen werden die Eltern die Betreuung ihrer Söhne und Töchter nicht mehr bis zu deren Lebensende leisten können. Ohne vorangehende Planung kann es bei Krankheit oder Todesfall der Eltern zu unvorbereiteten Notfallüberweisungen in Wohnheime kommen. Die Sorgen um die Zukunft belasten die betreuenden Eltern. Studien zeigen aber, dass ein grosser Teil der Eltern keine oder kaum Arrangements für die zukünftige Wohn- und Lebenssituation der erwachsenen Familienmitglieder mit einer geistigen Behinderung treffen (Haveman & Stöppler, 2004; Heller & Factor, 1991; Heller & Kramer, 2009; Wacker, 2001). Bestehende Angebote zur Unterstützung in der Planung der Zukunft werden zudem nicht oft genutzt (Adler & Wicki, 2010). Auf der andern Seite befürchten Institutionen im Wohnbereich, dass sie in naher Zukunft eine grosse Anzahl dieser auch schon älteren geistig behinderten Personen aufnehmen müssen, ohne genaue Zahlen zur Planung zu Verfügung zu haben.

Projektleitung

Judith Adler Titel lic. phil.

Fakten

  • Dauer
    11.2009
    05.2014
  • Projektnummer
    3_8

Projektteam

Fragestellung

Das Ziel des Projekts ist die Entwicklung eines Angebotes, das die Zukunftsplanung von alten Eltern unterstützt, die erwachsene Familienmitglieder mit einer geistigen Behinderung betreuen.

Methodisches Vorgehen

Durch eine Expertenbefragung wurde erhoben, welche Unterstützungsangebote zur Zukunftsplanung in der deutschen Schweiz für diese Familien vorhanden sind. Die Ergebnisse der Expertenbefragung flossen in die Entwicklung eines passenden Unterstützungsangebotes für die Zukunftsplanung der Familien ein.

Die für diese Zielgruppen in Frage kommenden Interventionsprogramme wurden analysiert und ausgewertet. Es hat sich gezeigt, dass es für die Zielerreichung des Projektes sinnvoll ist, das Interventionsprogramm des Rehabilitation Research and Training Center on Aging with Developmental Disabilities (RRTCADD) von DeBrine et al. (2009) zu übersetzen und anzupassen, da sich dieses Kursangebot an alle Familienmitglieder richtet.

Das übersetzte und modifizierte Kursprogramm wurde in einer Pilotstudie mit 8 Familien an der Hochschule für Heilpädagogik in Zürich durchgeführt und evaluiert.

Auf Grundlage der Erfahrungen im Pilotkurs wurde der Lehrgang noch einmal gründlich überarbeitet. Der Kurs wurde 2012/13 in mehreren Kantonen durch Bildungsanbieter (Bildungsklubs, insieme u.a.) in Zusammenarbeit mit der HfH durchgeführt. Die HfH unterstützte die Organisation und prüfte die Wirkung der Kurse im Rahmen einer 18 Monate dauernden vergleichenden Interventionsstudie mit 47 Familien. Die Wirksamkeit des Kursangebotes wird daran gemessen, ob die Familien die Planungstätigkeit aufnehmen oder im Planungsprozess voranschreiten.

Im Rahmen der Befragung wurden Informationen zur Lebenssituation dieser Familien und zu ihrer Nutzung von Unterstützungsangeboten bei den Teilnehmenden der öffentlichen Informationsveranstaltung erhoben. Dabei konnten 72 Familien befragt werden.

Ergebnisse

Die Evaluation zeigt, der Kurs wirkt. Im Besonderen führt er dazu, dass in den Familien mehr mit der Person mit Behinderung über die Zukunftsplanung gesprochen wird. Die Betreuungspersonen, die den Kurs besuchten, berichten nach dem Kurs über eine geringere Belastung durch die Betreuung. Sie haben leicht mehr Kenntnisse über familienunterstützende Angebote und nutzen diese auch häufiger. Die Familien berichten auch, dass ihre Söhne und Töchter mit Behinderung nach dem Kurs mehr Entscheidungsmöglichkeiten nutzen. Die Befragung der Söhne und Töchter zeigt, dass sie nach dem Kurs deutlich mehr Wissen über Freizeit und darüber haben, dass sie Entscheidungen treffen können.

Die Beurteilung des Kurses ist sowohl durch die Eltern als auch durch die Söhne und Töchter mit Behinderung positiv: Der Kurs hilft bei der Planung, in dem er die Planung strukturiert und die Diskussion der Familien in Gang bringt. Der Austausch mit anderen Eltern war für die Familien sehr wichtig. Auch für ihre Söhne und Töchter beurteilen die Eltern den Kurs gut. Sie hätten Unterstützung bekommen, um ihre Meinung einzubringen, auch bei Themen, die Angst machten. Die Kursleitungen wurden für ihre Arbeit sehr gelobt und die Eltern wünschen sich, dass dieses Kursangebot weiter angeboten wird. Die Befragung zeigt, dass die Eltern, die ihre erwachsenen Söhne und Töchter zu Hause betreuen, einfacher zugängliche Informationen zur Unterstützung und für die Planungen sowie mehr flexible Entlastungsangebote brauchen. Im Zentrum der Aktivitäten der Eltern steht der Wunsch, ihren Kindern ein gutes Leben zu ermöglichen. Die Familien wünschen sich dazu bedarfsorientierte Angebote, die ihren Söhnen und Töchtern in den Bereichen Wohnen, Arbeit und Freizeit individuelle und selbstbestimmte Wege ermöglichen.

Weiterentwicklung des Kursangebotes

Das Kursangebot wurde zwischen 2016-2017 überarbeitet, als Grundlage für die französische Übersetzung. Es wurde mit personenzentrierten Zugängen ergänzt. Das dazugehörige Arbeitsbuch wurde in leichte Sprache übersetzt.

Publikationen