Intervention «Bewegung und Stimme» für Menschen mit Parkinson

Kategorie Projekt

Ausgangslage und Ziele

In der Schweiz leiden 15'000 Menschen unter der neurodegenerativen Erkrankung Morbus Parkinson, die zu motorischen und stimmlichen Problemen führt. Die Folgen dieses Störungsbildes sind weitreichend und die Auswirkungen im Alltag vielfältig. Die Bewegungsfähigkeit ist eingeschränkt und die Kommunikation erschwert, was zu einer Rückzugstendenz führt. Die Symptomatik der Erkrankung und der daraus folgende soziale Rückzug belasten die Betroffenen psychisch stark und es ist davon auszugehen, dass das subjektive Wohlbefinden und die Lebensqualität reduziert sind (Mallien 2019).

Ausgehend von der Annahme, dass unterstützende aktivierende Massnahmen stabilisierend auf den progressiven Verlauf wirken, haben die Autorinnen das interdisziplinäre Kurskonzept «Bewegung und Stimme» der beiden Fachbereiche Psychomotorik und Logopädie kreiert. Neuartig an diesem Angebot ist die Verbindung von Bewegung und Stimme sowie das Gruppensetting. Dieses Kursangebot wird seit 2013 mit Erfolg durchgeführt. Ziel ist, durch Bewegungsunterstützung die Stimme zu stärken und das Grundvertrauen in die eigene Kommunikation zu festigen. Die bisherigen positiven Evaluationen deuten darauf hin, dass sich das subjektive Wohlbefinden der Kursteilnehmenden verändert.

Ziel des Forschungsprojektes ist zu untersuchen, inwieweit die Gruppenintervention «Bewegung und Stimme» Einfluss auf das subjektive Wohlbefinden von Menschen mit Parkinson hat.

Projektleitung

Erika Hunziker Titel Dr. phil.

Funktion

Senior Lecturer / Leiterin Master Logopädie

Ursina Degen

Fakten

  • Dauer
    08.2017
    07.2019
  • Projektnummer
    2_9

Fragestellung und Methode

Ausgehend von der Fragestellung: «Hat die Verbindung von Bewegung und Stimme, in einem zeitlich begrenzten ressourcenorientierten Gruppenangebot, Einfluss auf das subjektive Wohlbefinden von Menschen mit Morbus Parkinson?» wird eine empirische Untersuchung durchgeführt. Die Datenerhebung ist sowohl qualitativ als auch quantitativ, was einem Mixed Methods-Design (Kuckartz 2014) entspricht. Als Untersuchungsinstrumente werden der WHO-5-Fragebogen zum Wohlbefinden (1998) und der Kurzfragebogen zum allgemeinen Wohlbefinden (FAHW-12) von Wydra (2014) eingesetzt. Um die Störvariablen zu kontrollieren, die sich aus der Begleitsymptomatik von Morbus Parkinson ergeben, werden der Stichprobe spezifische Fragen aus dem Parkinson’s Disease Quality of Life Questionnaire PDQ-39 der deutschen Version (vgl. Berger, Broll et al. 1999) und der Parkinson’s Well-Being Map (vgl. UCB-Pharma AG 2013) eingesetzt. Zur Absicherung der quantitativen Ergebnisse und um differenziertere Aussagen zur Wirkung des Kurses, zur Gruppenatmosphäre und zu Auswirkungen im Alltag zu erhalten, wird in der Experimentalgruppe (N=11), die den Kurs besucht, ein Leitfadeninterview durchgeführt. In der Kontrollgruppe (N=10), die im Zeitraum der Untersuchung kein vergleichbares Gruppenangebot besucht, findet ebenfalls ein Interview statt, um Hinweise zum Lebenshintergrund zu erhalten.

Die beiden untersuchten Stichproben sind bezüglich Alter, Geschlecht, Ausbildung und Krankheitsdauer vergleichbar. Die Datenerhebung findet zu vier bzw. drei Zeitpunkten statt. Der Prä-, der Zwischen- und der Posttest, werden in der Experimentalgruppe im Rahmen des Kurses «Bewegung und Stimme» und das Follow-up vier Wochen nach Kursende durchgeführt. In der Kontrollgruppe finden 3 Befragungen statt.

Die Daten der Fragebögen werden mit Hilfe des Programmes SPSS deskriptiv und statistisch ausgewertet. Die Leitfadeninterviews werden auf Tonträger aufgezeichnet, transkribiert und dann qualitativ mit MAXQDA (Kuckartz 2016) ausgewertet. Die quantitativen Ergebnisse werden der qualitativen Auswertung gegenübergestellt und in Bezug auf die Fragestellung analysiert und diskutiert.

Ergebnisse und Fazit für die Praxis

Beim WHO5-Fragebogen ergibt sich in der Experimentalgruppe eine Zunahme des subjektiven Wohlbefindens. Der Friedman-Test (Chi-Quadrat (3) = 11.90, p = .008, n = 9) und die Post-hoc-Tests zeigen, dass sich das Wohlbefinden der Experimentalgruppe über die 4 Messzeitpunkte signifikant verändert. Die Effektstärken sind jeweils stark (r = .61 bzw. r = .54), wobei das Wohlbefinden zum 4. Messzeitpunkt jeweils höher ist. Die Kontrollgruppe erfährt keine solche Veränderung. Somit wird die deskriptive Einschätzung der Zunahme des Wohlbefindens der Experimentalgruppe im WHO5-Fragebogen durch die statistische Analyse bestätigt. Die Kontrollgruppe zeigt keine solche signifikante Veränderung. Der positive Einfluss des multimodalen Gruppenangebotes auf das Wohlbefinden der Probanden wird ebenfalls von der qualitativen Studie gestützt. Es zeigt sich, dass es den Teilnehmenden gelingt den Fokus weg von der Krankheit hin zu den Ressourcen zu legen. Aufgrund der kleinen Stichprobe und der Abweichung der Ergebnisse der anderen Fragebogen (FAHW12 und PDQ-39), die keine Zunahme des Wohlbefindens zeigen, muss das Ergebnis mit Vorsicht interpretiert werden.

Die Ergebnisse der qualitativen Untersuchung zeigen zudem, dass in erster Linie soziale Faktoren wie das gemeinsame tun, die Atmosphäre in der Gruppe sowie die offene, ressourcenorientierte Herangehensweise für die Zunahme des subjektiven Wohlbefindens der Experimentalgruppe ausschlaggebend sind.

Als Fazit lässt sich ableiten, dass entsprechende multimodale Angebote das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten stärken und sich das subjektive Wohlbefinden von Menschen mit Parkinson zumindest für eine gewisse Zeit verbessert.

Publikationen

  • Degen, U., & Hunziker, E.
    (2019).
    Wenn die Bewegung einfriert und die Stimme verschwindet. Interdisziplinäres Forschungsprojekt Psychomotorik und Logopädie.
    Motorik,
    42
    (1),
    41–42.