Logopädieausbildung im Wandel
Reportage
Ein Angebot muss sich immer wieder an aktuelle Herausforderungen anpassen, um im Markt bestehen zu können. Die Logopädieausbildung in Zürich zeigt das beispielhaft. Nun feiert sie ihr 50-jähriges Jubiläum. Ein Rückblick in vier Phasen.
Spezialisierung (1973 bis 1980). Mit elf Studierenden fängt alles an. Sie absolvieren 1973 die einjährige Spezialausbildung Logopädie am Heilpädagogischen Seminar (HPS) in Zürich. Im Rucksack haben sie eine Maturität, eine seminaristische Ausbildung, wenn möglich Praxiserfahrungen als Lehrperson sowie das einjährige Heilpädagogik-Studium unter der Leitung von Fritz Schneeberger. Nun besuchen sie Vorlesungen wie «Artikulationsstörungen und ihre Behandlungen» oder «Abriss der Sprachheilkunde». Inhalte der Kindersprachtherapie dominieren das Curriculum.
1977 übernimmt der Präsident der Zürcher Sonderklassenlehrer, Peter Wettstein, die Gesamtleitung. Er wird das logopädische Berufsfeld mit seinen Testverfahren und Fachbüchern zwanzig Jahre lang prägen. Ab 1979 teilt er die Leitung mit Agnes Wettstein. Das Interesse an der Spezialausbildung Logopädie wird rasch grösser: 1979 zählt die Spezialausbildung Logopädie bereits 36 Studierende, in nur sechs Jahren hat sie sich verdreifacht. Doch die im Vergleich zu anderen Ausbildungsstätten kurze Studienzeit von zwei Jahren bringt die Studierenden an ihre Grenzen, zumal die Berufspraxis ein immer differenzierteres Know-how erfordert. Es muss sich was ändern.
1973 bis 1980: Peter Wettstein hat das logopädische Berufsfeld zwanzig Jahre lang geprägt.
Ausbau zur dreijährigen Ausbildung (1980 bis 1990). Die Leitung handelt schnell und entschlossen: Die Ausbildung wird auf drei Jahre verlängert. Sie umfasst nun ein Jahr Grundstudium und zwei Jahre Spezialausbildung, in denen die Praktika und das Hospitium in anerkannten Sprachheilinstitutionen deutlich aufgestockt werden. Und das Curriculum beinhaltet neu mit der Aphasiologie Sprachstörungen von Erwachsenen, wenn auch zunächst in geringem Umfang.
Die Leitung wird nochmals breiter aufgestellt: Mit dem Zugang von Karin Stalder ist ab 1983 ein Dreierteam für die Geschicke der Ausbildung zuständig. Das Rückgrat der neuen Ausbildung sind die Dozierenden. In dieser Phase formiert sich eine Kerngruppe von Fachpersonen, welche die Ausbildung in der Logopädie über Jahre hinweg prägen sollte: So etwa Nitza Katz-Bernstein, Meja Kölliker Funk, Regina Jenni und Lukas Sarasin. Am Horizont zeichnet sich allerdings bereits eine neue Herausforderung ab: Es ist die Zeit der Bildungsreformen, in der viele Ausbildungen in eine stärker reglementierte Studienform überführt werden. So auch die Logopädie.
1980 bis 1990: Das Logopädiestudium wird zu einer dreijährigen Ausbildung ausgebaut.
Studium (1990 bis 2000). Der Umbau beginnt schon beim Zugang. Neu können Maturand:innen nach einem einjährigen Sozialpraktikum und ohne seminaristische Vorausbildung das Studium am HPS aufnehmen. Die Ausbildung bleibt beliebt: 1993 haben insgesamt bereits 344 Logopädinnen und 19 Logopäden das Diplom in Logopädie erhalten – nur zwanzig Jahre nach der Gründung der Abteilung Logopädie. Und manchmal ist man der Zeit sogar voraus: 1995 übernimmt mit Meja Kölliker Funk erstmals in der Geschichte der schweizerischen Logopädieausbildungen eine Frau die Funktion als Abteilungsleiterin.
Es ist eine Phase, in der sich die Wissenschaft Logopädie und mit ihr der Stoff rasant entwickelt – dies fordert die Studierenden ebenfalls: «Im vergangenen Schuljahr haben wir einen Viertel der Studierenden erst nach Wiederholung eines Teils der Ausbildung diplomiert in den logopädischen Alltag entlassen. Die Zunahme von neuen Erkenntnissen in verschiedenen sprachspezifischen Bereichen […] führt zu einer starken Verdichtung der Stoffvermittlung», heisst es im Jahresbericht 1997/1998 des HPS. Und die nächste Herausforderung wartet bereits: Am Ende des Jahrtausends sind die Mitarbeitenden stark mit der Umwandlung des Heilpädagogischen Seminars hin zu einer Fachhochschule beschäftigt. Ein neues Ausbildungskonzept muss entwickelt werden.
1990 bis 2000: Das Heilpädagogische Seminar entwickelt sich hin zu einer Fachhochschule.
Fachhochschule mit Neuausrichtung (ab 2000). Im September 2001 öffnet die Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik (HfH) ihre Tore. Die Logopädie wird nun gemäss Bologna-Deklaration als dreijähriges Bachelorstudium angeboten. Jürgen Kohler leitet den Studiengang, bis er 2005 an Jürgen Steiner übergibt. Geprägt wird diese Phase von der starken Verknüpfung von Theorie und Praxis, die gezielt institutionalisiert wird.
Einige zentrale Entwicklungen im Studiengang sind die folgenden:
- 2008 wird erstmals die bis heute durchgeführte Stotter-Intensiv-Therapiewoche «Stotterchamp» unter dem Dach der HfH durchgeführt.
- 2011 eröffnet das Förderzentrum, bestehend aus Didaktischen Zentrum und Therapie-Lehr-Praxis (TLP). 2015 wird die Therapie-Lehr-Praxis als Therapiestelle für den Frühbereich sowie für den nachobligatorischen Bereich kantonal anerkannt.
- 2019 übernehmen Susanne Kempe Preti und Erika Hunziker als Co-Leiterinnen den Studiengang Logopädie, der weiter ausgebaut wird: Infolge des Fachkräftemangels wird die Zahl der Studierenden auf neu 60 pro Studienjahr erhöht. Seit Frühling 2023 wird er von Priska Elmiger geleitet.
- 2022 startet unter der Leitung von Anke Sodogé und später Erika Hunziker der erste Masterstudiengang Logopädie an der HfH mit 16 Studierenden – ein nächster grosser Schritt für die Profession und die Professionalisierung der Logopädie.
Logopädie kann man ab 2001 an der HfH studieren.
2008 wird erstmals das «Stotterchamp» durchgeführt.
Die Therapie-Lehr-Praxis (TLP) wird 2015 als Therapiestelle anerkannt.
Im September 2022 startete der erste Masterstudiengang Logopädie.