Pilotprojekt TiK-SUI – Implementing the TiK- Emotion Coaching in Swiss Communities

Kategorie Projekt

Ausgangslage und Ziele

TIK-SUI arbeitet rückblickend und zukunftsweisend z. B. durch einen Survey von internationalen good practice – Beispielen in der Implementierung von TIK und einer Verankerung des TIK-Emotionscoachings nach Gottman in Prävention und Intervention von Verhaltensschwierigkeiten in der Schweiz. Zudem wird ein Projekt «TIK in Schools» als Folgeforschungsantrag konzipiert sowie die Verankerung von TIK in Ausbildung, Weiterbildung in Dienstleistungen der HfH sichergestellt. Das Projekt trägt dazu bei, die HfH als erste Schweizer Institution zu Emotionscoaching in der internationalen Forschungslandschaft und als Ausbildungsinstitution zu verankern.

Projektleitung

Susan Christina Annamaria Burkhardt Titel Dr. phil.

Funktion

Advanced Researcher

Fakten

  • Dauer
    01.2023
    12.2024
  • Projektnummer
    2_26

Projektteam

Ausgangslage

Emotionscoaching ist eine emotionsbezogene Erziehungspraktik, die v. a. in der Phase der Emotionssozialisation von Kindern, im Alter zwischen drei und neun Jahren, eine wichtige Rolle spielt. In dieser Zeit werden Metakognitionen und Metaemotionen (Gottman, Katz, & Hooven, 1996) gebildet, festigen sich und sind unbewusst und implizit verhaltens- und erlebensleitend. Diese Einstellungen zu Gefühlen – Metaemotionen genannt – werden wiederum von der Art und Weise beeinflusst, wie primäre Bezugspersonen auf den eigenen Emotionsausdruck reagieren. Je nachdem also, ob die Bezugspersonen Gefühle ignorieren, bestrafen, versuchen von ihnen abzulenken (Nichtbeachten von Emotionen) oder zum Ausdruck ermutigen und/oder Emotionsregulationsstrategien vermitteln (Emotionscoaching), entwickeln Kinder Vorstellungen davon, wie sie selbst mit ihren Gefühlen umgehen und ob sie sie benennen und regulieren können. Metaemotionen übertragen sich also über die Erziehung transgenerational. Kernziel von Tuning in to Kids («sich in Kinder einfühlen») ist daher, elterliche Metaemotionen, die auf das Unterdrücken oder Bestrafen von Gefühlen abzielen, zu hinterfragen und stattdessen zu etablieren, dass alle Gefühle, auch unangenehme, ihre Funktion und Berechtigung haben (Ginott, 1965).

Das in Australien entwickelte Programm richtet sich an Eltern von Kindern im Alter zwischen drei und zehn Jahren und verfolgt einen emotionsfokussierten Ansatz, der Elemente aus verschiedenen theoretischen Strömungen (z. B. Bindungstheorie, dialektisch-behaviorale Therapie, Achtsamkeitstherapie, neurowissenschaftliche Erkenntnisse) sowie entwicklungspsychologische Aspekte kombiniert.

Wenn Eltern und / oder Lehrpersonen die Emotionen von Kindern coachen, können eine bessere emotionale Entwicklung (z. B. Emotionsregulation) und weniger Verhaltensschwierigkeiten bei Kindern und Jugendlichen und auch Entspannung in der Schüler-Lehrer-Beziehung erreicht werden (Havighurst & Harley, 2013, Havighurst et al. 2022)  

TIK wurde bereits in mehreren Ländern erfolgreich evaluiert. Dies ist insofern überraschend, als diese Länder recht verschiedenen Kulturkreisen angehören, wo der emotionale Ausdruck und die Werte in der Erziehung heterogen sind (z. B. Australien, USA, Deutschland, Iran, Hong Kong, Norwegen, Chile, Türkei und 2021-2022 in der Schweiz durch das Vorgängerprojekt (HfH 2-14 «Tuning in to Kids»).

Ob es für «unauffällige» Kinder, Kinder mit Verhaltensproblemen oder gar traumatischen Erfahrungen angewandt wurde, spielte keine Rolle: die Ergebnisse sind immer die gleichen: Verhaltensprobleme verringern sich, das Familienklima beruhigt sich, das Belastungserleben der Eltern sinkt und die Emotionsregulationskompetenzen der Kinder (und teils auch der Eltern / bzw. Lehrpersonen) nehmen zu. Somit ist TIK auf allen Interventionsstufen (als universelle, selektive und auch als indizierte Intervention) eine erfolgreiche Methode zur Reduktion von Verhaltensschwierigkeiten durch die Förderung der sozio-emotionalen Entwicklung und psychischen Gesundheit von Kindern und daher auch für Lehrpersonen interessant und relevant.  

Das Pilotprojekt TIK-SUI soll den Rahmen für eine Folgestudie («Tuning in to Kids in Schools – TIKS») bilden. 

TiK-SUI ist eine Mischung aus Forschungs- und Entwicklungsprojekt. Es soll für TIKS folgendermassen einen Rahmen schaffen:  

  • Vernetzung von internationalen Expertinnen mit Erfahrung mit TIK im Rahmen von Forschung und Verstetigung in der Praxis sowie im schulischen Kontext.
  • Erfahrungs- und Wissensaustausch mit diesen Kolleginnen über die Implementation von TIK hinsichtlich: Schulischem Setting, Familiärem Setting spezieller Zielgruppen, z. B. für Kinder, die auffälliges Verhalten zeigen oder in der HFE, Therapeutischem Setting (z. B. Psychomotorik, Logopädie) i. S. der Erweiterung der Beratungskompetenzen der Fachpersonen, um bei Bedarf auch Eltern bzgl. Emotionen zu beraten. In welchem Rahmen (Kanton, Gemeinde, Schulbezirk, Finanzierung) kann eine Implementierung in der Schweiz sinnvollerweise begonnen werden.
  • Verschriftlichung der gesammelten Erfahrungen und Publikation im Sinne eines Forschungsmethodenpapers / internationaler Survey.

Methode

1. Internationaler Survey

Datenerhebungsverfahren, Instrumente 

Gemeinsam mit Kooperationspartnerinnen aus unterschiedlichen Ländern (Australien, USA, Türkei, Iran) wird ein Fragenkatalog zu Hilfen und Hürden bei der Implementation des Emotionscoachings im entsprechenden Land entwickelt. Dieser wird als Onlineerhebung an so viele TIK-Forscher und -Praktikerinnen weltweit versandt. Der Fragebogen soll vorstrukturiert sein, aber auch Raum für offene Antworten lassen, um blinde Flecken weitestgehend zu vermeiden.

Auswertungsmethodik/Statistik

Die Auswertung erfolgt deskriptiv und mittels einer qualitativen Inhaltsanalyse werden übergreifende Erfolgsfaktoren oder Stolpersteine herauskristallisiert.

2. Kursentwicklung

Im Rahmen des Projekts wird der TIK-Kurs (6 Termine à 2,5h), der für Eltern entwickelt wurde, für Lehrpersonen angepasst (und ggf. vorhandenes Material aus Australien und Norwegen übersetzt).

3. Antrag für Folgeprojekt TIKS

Basierend auf den internationalen Erfahrungen, die im Survey sichtbar werden, wird ein Projektantrag für TIK in Schweizer Schulen konzipiert.

Erwartete Ergebnisse und Diskussion

Erkenntnisgewinn für das Berufsfeld und/oder Forschungsfeld der Heilpädagogik

Emotionscoaching von Eltern, die daraufhin ihr Erziehungs- und Beziehungsverhalten mit ihren Kindern anpassen, weiterentwickeln, hat einen präventiven Effekt bzgl. Verhaltensauffälligkeiten der Kinder. Dies deutet sich aus den Daten aus verschiedenen Ländern und Kulturen an. Familien, in denen Kinder friedlich und gewaltlos aufwachsen können, bilden einen Schutzfaktor vor Verhaltensauffälligkeiten und anderen besonderen pädagogischen Bedürfnissen wie Entwicklungsverzögerungen. Eine gesunde emotionale Entwicklung von Kindern ist ein wichtiger Baustein für eine gesunde Gesellschaft von heute und morgen.

Der Ansatz von TIK passt gut zu aktuellen Bestrebungen in der Heilpädagogik, die Interaktion von Lehrpersonen und Schülerinnen und Schülern kooperativer und bindungsorientierter zu gestalten, setzt aber am System Familie an. Eine Ausweitung auf Lehrpersonen und therapeutische Fachpersonen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, ist daher wichtig und hat grosses Potential.

Das TIK-Emotionscoaching trägt dazu bei, das Familienklima zu entschärfen und zu verbessern:

  • Eltern lernen etwas über ihre eigenen Emotionen
  • Eltern lernen, die Emotionen ihrer Kinder zu erkennen, benennen und aufzufangen
  • Kinder werden gestärkt, weil sie erleben, dass alle Emotionen «erlaubt» sind (auch Wut, Ärger, Enttäuschung)
  • Kinder können sich psychisch gesund(er) entwickeln
  • Die Beziehung und Bindung zwischen Eltern und Kindern wird gestärkt und gefördert.
  • Möglicherweise verbessert ein TIK-Kurs auch wichtige Elternvariablen wie Selbstkonzept in der Erziehung, Selbstwirksamkeit, senkt die Belastung der Eltern und ihre Erziehungspraktiken. Dies wiederum führt zu einem gesünderen «System Familie» und somit zu einer allgemein gesünderen Gesellschaft.  
  1. Dies alles kommt der psychischen Gesundheit von Eltern und Kindern, des ganzen Systems «Familie», zugute und hat sicherlich auch auf Eltern noch weiterreichende Auswirkungen.
  2. Lehrpersonen werden entlastet, weil sie es mit weniger verhaltensauffälligen Kindern zu tun haben bzw. auch bzgl. Emotionen des Kindes besser mit den Eltern zusammenarbeiten können.
  3. Eine Anwendung des Programms für Lehrpersonen wäre das nächste Ziel

Relevanz hinsichtlich Lehre, Ausbildung, Forschung, Weiterbildung, Dienstleistung an der HfH, sowie Relevanz für die Gesellschaft

Lehre und Ausbildung 

Das Konzept des TIK-Emotionscoachings floss bereits in diversen Modulen in die HfH-Studiengänge ein und stiess dort auf grosses Interesse und positive Resonanz. Dies wird weiterverfolgt. 

Weiterbildung

Der TIK-Elternkurs soll im Rahmen von TIK-SUI für Lehrpersonen angepasst werden. Im Frühling und Herbst 2023 sollen zwei Onlinekurse (synchron mit Kursleitung) TIK-Emotionscoaching im angeboten werden, die Zielgruppen sind erstmals Lehrpersonen. Damit profitieren bereits im Jahr 2023, während der Projektlaufzeit, Lehrpersonen von Errungenschaften des Pilotprojekts TIK-SUI.

Forschung und Entwicklung

  1. Antrag für Folgeprojekt TIKS
  2. Etablierung eines internationalen Forschungsnetzwerkes im Thema sozio-emotionale Entwicklungsförderung, auch um einen längerfristigen Austausch und Zusammenarbeit im Thema zu gewährleisten und weiter gemeinsam hochkarätig zu publizieren
  3. Publikation des Surveys internationaler Erfahrungen beim roll-out (s.o.)
  4. Weitere mögliche Folgeprojekte: Vergleichende Auswertung internationaler Daten (es besteht Kooperationsinteresse aus Deutschland und Australien, möglicherweise auch aus anderen Ländern, wo für die wissenschaftliche Begleitung dieselben Fragebögen verwendet wurden, wie in der Schweiz (Projekt 2-14 TIK Schweiz)). Durch eine gemeinsame Datenanalyse könnten interessante Zusammenhänge auch mit kleineren Teilstichproben untersucht werden, da insgesamt die Power der Analysen steigt. Auch Einflüsse möglicher interessanter Moderatorvariablen sind in grösseren Stichproben einfacher nachzuweisen

Eine solche internationale Forschungskooperation und Vernetzung mit Expert/-innen im Thema Emotion und Verhalten auf fünf Kontinenten ist neu und birgt daher grosses Potenzial für Synergien und Innovationen.

Publikationen