Wenn die Emotionen hinterherhinken

Reportage

Kinder und Jugendliche mit einer kognitiven Beeinträchtigung verhalten sich manchmal rätselhaft. Ein möglicher Grund: Die emotional-soziale Entwicklung entspricht nicht dem Lebensalter. Eva Ruchti erklärt, wie man den effektiven Entwicklungsstand einschätzen kann.

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Eva Ruchti

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Senior Lecturer

Lars Mohr Titel Dr. phil.

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Senior Lecturer

Aha-Erlebnis. Lara ist elf und geht in eine heilpädagogische Schule. Ständig nimmt sie Spielsachen in den Mund und weicht keinen Schritt von der Seite der Lehrpersonen. Das Team um dieses Kind hat Eva Ruchtis Beratung in Anspruch genommen. «Das Verhalten dieses Mädchens hat die heilpädagogischen Fachpersonen vor ein Rätsel gestellt», erzählt die HfH Dozentin. Erst der Einsatz des diagnostischen Instruments «SEED», einer Skala zur Einschätzung der emotionalen Entwicklung, hat Licht ins Dunkel gebracht: Laras emotionale Entwicklung steht auf der Stufe einer Zweijährigen. «Beim Team hat das ein Aha-Erlebnis ausgelöst», so Ruchti. Denn: «Bei Lara stehen Sicherheit und Bindung im Vordergrund, und nicht Exploration und Autonomie, wie es für elfjährige Kinder sonst der Fall ist.» 

Verstehen vor Fördern. Die «SEED» ist nicht einfach ein Test, bei dem man Kreuze setzen kann und dann das emotionale Entwicklungsalter eines Kindes oder Jugendlichen ausgespuckt bekommt. Es ist eine Art Interview-Leitfaden mit gezielten Fragen zum Entwicklungsstand. «Am besten ist es, wenn man diese Fragen in einem multiprofessionellen Team bespricht und dabei auch die Eltern einbezieht», erklärt Eva Ruchti das Vorgehen. Idealerweise wird das von einer Fachperson moderiert, welche entsprechend ausgebildet ist. Erst mit dem Verständnis von Gefühlen und Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen könne die eigentliche Förderung stattfinden, so Ruchti. «Den emotionalen Entwicklungsschritt müssen Kinder selber machen, aber unsere Aufgabe ist es, den passenden Rahmen dafür zu geben.» Im Gespräch mit Steff Aellig erklärt Eva Ruchti, weshalb pädagogische Interventionen auf herausforderndes Verhalten oft recht einfach sein können.

Eva Ruchti im Gespräch mit Steff Aellig

Weiterbildung. Für eine optimale Förderung ist es wichtig, den emotionalen Entwicklungsstand zu kennen und zu verstehen. Im Kurs «Die emotionale Entwicklung verstehen – SEED» lernen Sie an zwei Nachmittagen das Instrument zur Diagnostik und seine Anwendung kennen. Zum Kurs

Buchtipp. Sappok, T. und Zepperitz, S. (2019). Das Alter der Gefühle. Erschienen bei Hogrefe. Das Buch hilft, Gefühle zu verstehen. Zudem ist es eine Ideensammlung, um pädagogisch adäquat handeln zu können. Zum Buch

Autoren: Steff Aellig, Dr. und Dominik Gyseler, Dr., Wissenschaftskommunikation HfH; Oktober 2023