Gruppen-Psychomotoriktherapie und sozial-emotionale Kompetenzen: Eine Mixed-Method Studie

Kategorie Projekt

Ausgangslage und Ziele

  • Das Ziel dieser Studie war, erstmals anhand einer randomisierten kontrollierten Studie die Wirksamkeit der Psychomotoriktherapie auf die Förderung sozial-emotionaler Kompetenzen und die Reduzierung herausfordernden Verhaltens von Kindern der 1. / 2. Klasse zu überprüfen
  • Die Studie liefert erste Hinweise über potenzielle Erfolge der Psychomotoriktherapie
  • Begleitend wurden Psychomotoriktherapie-Interventionen zur Förderung sozial-emotionaler Kompetenzen und Reduzierung herausfordernden Verhaltens untersucht

Projektleitung

Iris Bräuninger Titel Dr. rer. soc.

Funktion

Senior Researcher

Fakten

  • Dauer
    02.2020
    12.2022
  • Projektnummer
    2_12

Finanzielle Unterstützung

Ausgangslage

Sozial-emotionale Kompetenzen gelten als Schutzfaktoren, die die Wahrscheinlichkeit verringern, dass Kinder, die Risikofaktoren ausgesetzt sind, Verhaltensauffälligkeiten entwickeln (Catalano et al., 2002). Bei unzureichender Förderung der sozial-emotionalen Entwicklung ist die Entwicklungsprognose eher schlecht (Steinhausen, 2010) und das Versäumnis kann sich negativ auf die soziale Integration, die Schulbildung der Kinder und Jugendlichen (Gooren et al., 2011), und das schulische Umfeld (Preuß-Lausitz, 2005) auswirken. Psychomotoriktherapie wird in vielen Schweizer Kantonen per Volksschulgesetz als Behandlungsoption in Bildungseinrichtungen für Kinder mit motorischen und sozial-emotionalen Bedürfnissen definiert. Vermehrt melden Lehrpersonen Kinder in die Psychomotoriktherapie an, welche Verhaltensauffälligkeiten und Förderbedarf in sozial-emotionalen Kompetenzen aufweisen (Vetter, 2013; Widmer, & Bräuninger, 2020). Die wissenschaftliche Fundierung gewinnt deshalb an Bedeutung.

Pilotstudien weisen erste positive Effekte der Psychomotoriktherapie auf die Förderung sozial-emotionaler Kompetenzen auf (Amft, Boveland, Hensler Häberlin & Uehli Stauffer, 2013), randomisierte kontrollierte Studien fehlen in diesem Bereich jedoch bislang.

Zielsetzung

Das Ziel dieses Forschungsprojektes war es, mit einer randomisierten kontrollierten Studie die Wirksamkeit der Psychomotoriktherapie zur Förderung sozial-emotionaler Kompetenzen und Reduzierung herausfordernden Verhaltens bei Primarschulkindern der 1. und 2. Klasse zu überprüfen. Anhand einer Checkliste wurden die von den Psychomotorik-Therapeutinnen eingesetzten Interventionen für diesen Indikationsbereich identifiziert.

Fragestellungen

  • Verbessern sich die sozial-emotionalen Kompetenzen der Kinder nach ungefähr vier Monaten (Gruppen-) Psychomotoriktherapie?
  • Welche psychomotorischen Interventionen setzen Psychomotoriktherapeut:innen in der Gruppentherapie zur Förderung sozial-emotionaler Kompetenzen ein?

Methode

Diese Mixed-Methods Studie beinhaltet eine multizentrische randomisierte kontrollierte Studie (Prätest-, Posttest-Vergleich) mit einem beschreibenden Teil (Identifizierung der Psychomotoriktherapie-Interventionen zur Förderung sozial-emotionaler Kompetenzen und Reduktion von Verhaltensauffälligkeiten anhand der Interventionscheckliste Psychomotoriktherapie ICL-PMT).

Ergebnisse

Insgesamt nahmen 28 Kinder (M = 7,55 Jahre, SD = 0,78) teil: 15 in der Psychomotoriktherapie-Gruppe (M = 7,62 Jahre, SD = 0,91), 13 in der Wartekontrollgruppe (M = 7,47 Jahre, SD = 0,63). Aufgrund der Stichprobengrösse und Datenverteilung wurde in beiden Gruppen ein nicht-parametrisches Verfahren (Wilcoxon-Test) verwendet. Beim Vergleich von Prä- und Posttest verbesserten sich die Kinder beider Gruppen im Funktionsbereich Sozial-Emotionale Kompetenz des IDS-2 (Grob & Hagmann-von Arx, 2018). Die Psychomotoriktherapie-Gruppe zeigte zudem eine signifikante Verbesserung im Untertest Sozial kompetent handeln. Die Eltern füllten die CBCL/6-18R (Döpfner et al., 2014 aus. Es zeigte sich eine signifikante Abnahme der Werte Gesamtprobleme und Internalisierende Probleme bei der Wartekontrollgruppe, jedoch nicht in den Berichten der Eltern der Interventionsgruppe (Bräuninger, & Röösli, 2023).

Anhand 157 ausgefüllter Interventionschecklisten-PMT konnte bestimmt werden, welche Interventionen fünf Therapeutinnen in den Lektionen zur Förderung sozial-emotionaler Kompetenzen und Reduktion von Verhaltensauffälligkeiten einsetzten: am Häufigsten wurden genannt Regelspiele, Bewegungsaufgaben, Körperwahrnehmung, Konzentrationsübungen, Selbstwahrnehmung, Förderung von Vertrautheit/Offenheit/Gruppenkohäsion, reflektierende und situativ anpassende therapeutische Haltung und strukturierender Leitungsstil. Hingegen nur selten wurden Bewegungsgeschichten, Entspannungstechniken, Kreative und Künstlerische Interventionen, Psychodrama und explorative Haltung, non-direktiver und direktiver Leitungsstil erwähnt (Bräuninger, Röösli, & Maier, 2023).

Einschränkungen: Mehrere Therapeut:innen sagten kurzfristig ihre Teilnahme ab, da sich aufgrund der Covid-Pandemie ihr Behandlungskontext verändert hatte. Daraus resultierte ein ausgedehnter und längerer Rekrutierungsprozess, welcher 03/2022 mit einer kleineren als geplanten Stichprobegrösse von 28 teilnehmenden Kindern abgeschlossen wurde. Die Interaktionseffekte zwischen der Psychomotoriktherapie-Gruppe und der Wartekontrollgruppe vom Prätest t1 zum Posttest t2 können deshalb nicht berechnet werden. Die Ergebnisse erlauben daher nur erste Hinweise über potenzielle Erfolge der Psychomotoriktherapie.

Fazit und Ausblick

Eine etwa viermonatige schulbasierte PMT-Gruppenintervention liefert erste Hinweise über die potenziellen Erfolge der Psychomotoriktherapie zur Verbesserung der Sozialkompetenzen der Kinder. Vermutlich hängen diese Ergebnisse mit den am häufigsten eingesetzten PMT-Interventionen zusammen. Weitere Studien könnten diese Hypothese überprüfen. Die Studie weist nach Einschätzung der Eltern keine Verbesserung der Verhaltensprobleme auf. Nachfolgende Studien, welche die Wirksamkeit von PMT-Interventionen wie Bewegungsgeschichten, Entspannungstechniken, Kreative und Künstlerische Interventionen und Psychodrama insbesondere auf Internalisierende Problemen überprüfen, erscheinen sinnvoll.

Literatur

  • Amft, S., Boveland, B., Hensler Häberlin, K. & Uehli Stauffer, B. (2013). Kann Psychomotoriktherapie zur Förderung sozio-emotionaler Kompetenzen beitragen? Praxis der Psychomotorik, 38, 134- 139.
  • Catalano, R. F., Hawkins, J. D., Berglund, M. L., Pollard, J. A., & Arthur, M. W. (2002). Prevention science and positive youth development: Competitive or cooperative frameworks? Journal of Adolescent Health, 31, 230 – 239.
  • Gooren, E., van Lier, P., Stegge, H., & Terwogt, M. (2011). The development of conduct problems and depressive symptoms in early elementary school children: The role of peer rejection. Journal of clinical child & adolescent psychology, Journal of Clinical Child & Adolescent Psychology, 40, 245–253.
  • Grob, A., & Hagmann-von Arx, P. (2018). Intelligence and Development Scales - 2 (IDS-2). Intelligenz- und Entwicklungsskalen für Kinder und Jugendliche. Bern: Hogrefe.
  • Preuss-Lausitz, U. (2005). Verhaltensauffällige Kinder integrieren. Zur Förderung der emotionalen und sozialen Entwicklung. Weinheim: Beltz.
  • Steinhausen, H.-C. (2010). Psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen. München: Elsevier.
  • Vetter, M. (2013). Das Psychomotorische Angebot aus Sicht von Psychomotoriktherapeutinnen und - therapeuten. Eine Befragung zu Wirksamkeit, Zusammenarbeit und Angeboten der Psychomotoriktherapie aus Sicht der Anbieter. Zürich und Goldau: Eigendruck.
  • Widmer, I., & Bräuninger, I. (2020). Fachbeitrag: Bestandsaufnahme der Psychomotoriktherapie zur Förderung sozialer und emotionaler Kompetenzen von Schulkindern. Ergebnisse einer schweizweiten Online-Umfrage. motorik, 43, 134-143.

Publikationen