Lernende in Übergangssituationen im niederschwelligen Ausbildungsbereich (LUNA): Hauptstudie

Kategorie Projekt

Ausgangslage und Ziele

Im Jahr 2004 wurde in der Schweiz die zweijährige Grundbildung mit eidgenössischem Berufsattest (EBA) eingeführt, verbunden mit der Hoffnung, dass sich dank standardisierter Ausbildungsinhalte die Arbeitsmarktfähigkeit und die Durchlässigkeit zu weiterführenden Ausbildungen verbessern. Für Jugendliche, die diese Hürde nicht schaffen, wurde vom Branchenverband INSOS die Praktische Ausbildung (PrA) lanciert. Die bisherigen Erfahrungen mit den beiden Ausbildungsgefässen sind positiv, wie verschiedene Evaluationen zeigen (Hofmann & Häfeli, 2015; Sempert & Kammermann, 2010; u.a.). Eine qualitative Studie der HfH auf der Basis von Interviews mit Expertinnen (Hofmann, Duc, Häfeli & Lamamra, 2016) weist allerdings auf einige offene Fragen hin: So ist z.B. über die Situation bezüglich Lehrvertragsauflösungen noch wenig bekannt ist und in manchen Branchen wird die Akzeptanz der Ausbildungsgefässe und die Arbeitsmarktfähigkeit nach Ausbildungsabschluss skeptisch beurteilt. Diese Studie befasst sich deshalb vertieft mit der Qualität der Ausbildungssituation und ihren Folgen für die berufliche Integration. Es sollen folgende Fragen bearbeitet werden:

  1. Aktuelle Passung zwischen Lernenden und Ausbildungsangebot:  Wie gut gelingt die Passung zwischen den Ausbildungsangeboten und den Zielgruppen? Welche Voraussetzungen bringen die Lernenden mit und wie erleben sie die Anforderungen in der Berufsfachschule und im Lehrbetrieb?
  2. Lehrvertragsauflösungen als Ausdruck mangelnder Passung: Welches sind die Gründe und Folgen von Lehrtragsauflösungen und wie können Betroffene unterstützt werden?
  3. Berufliche Perspektiven und Übergang in den Arbeitsmarkt: Wie gut sind die Absolventinnen und Absolventen beruflich integriert und wie wird die Durchlässigkeit zu weiterführenden Ausbildungen genutzt?

Projektleitung

Claudia Hofmann Titel Dr. phil.

Funktion

Senior Researcher

Kurt Häfeli Titel Prof. Dr. em.

Funktion

Ehemaliger Leiter Forschung und Entwicklung

Fakten

  • Dauer
    09.2016
    12.2020
  • Projektnummer
    1_21.1

Projektteam

Methodisches Vorgehen

Die Studie besteht aus einer quantitativen Längsschnittstudie und einer vertiefenden qualitativen Studie. Befragt werden Lernende aus vier Branchen (Bau, Gastronomie, Schreinerei und Hauswirtschaft) aus der Deutschschweiz und der französischsprachigen Schweiz.

  • Für die quantitative Studie wurden Lernende aus den beiden Ausbildungsgefässen (EBA und PrA) zu drei Zeitpunkten befragt: Die erste Befragung fand schriftlich zu Beginn der Ausbildung (Oktober-November 2016) in den Berufsfachklassen statt. Befragt wurden 628 EBA- und 160 PrA-Lernende aus neun Kantonen. Am Ende der Ausbildung (April-Mai 2018) wurde eine zweite schriftliche Befragung durchgeführt (N=714), gefolgt von der dritten Befragung, die ein Jahr nach Abschluss der Ausbildung schriftlich und telefonisch stattfand (Mai-Juni 2019) (N=424).
  • Für die qualitative Studie wurden Interviews mit 37 Lernenden geführt, die während der Ausbildung das Ausbildungsgefäss wechselten oder den Lehrvertrag auflösten. Bei ausgewählten Fällen wurden ausserdem Personen aus dem Umfeld des/der Lernenden interviewt.

Ergebnisse

Die Ergebnisse zeigen eine grosse Heterogenität bei den Lernenden bezüglich schulischer Vorbildung und einen deutlich verzögerten Übergang in die Ausbildung, insbesondere bei der EBA (Hofmann & Müller, 2017). Die Passung zwischen Ausbildungsangebot und Zielgruppe (Fragestellung 1) gelingt dennoch bei den meisten: Die befragten Lernenden sind mit ihrer Ausbildungssituation überwiegend zufrieden und durchschnittlich nur «ab und zu» im Betrieb und in der Schule belastet. Im Verlauf der Ausbildung sinkt die Zufriedenheit etwas, bleibt aber immer noch auf einem hohen Niveau (Hofmann, 2019).

Bei der Gruppe von Lernenden mit Lehrvertragsauflösungen (Fragestellung 2) gelingt diese Passung offensichtlich nicht. Betroffen sind davon in dieser Stichprobe rund ein Viertel der Befragten. Oft spielen bei einer Lehrvertragsauflösung gemäss Interviews mehrere Gründe eine Rolle: Dazu gehören in vielen Fällen eine unbefriedigend verlaufene Berufswahl und gesundheitliche Probleme. Eine Mehrheit steigt zwar wieder in eine Ausbildung ein, trotz Unterstützungsangeboten bleiben aber manche ohne Anschlusslösung (Lamamra, Bosset & Duc, 2018).

Bezüglich beruflicher Integration nach Ausbildungsabschluss (Fragestellung 3) zeigt sich, dass rund 78% (EBA) bzw. 86% (PrA) einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz haben. Personen, die arbeiten, sind zu rund 80% festangestellt und arbeiten Vollzeit. Im ersten Arbeitsmarkt arbeiten 86% (EBA) bzw. 49% (PrA) der ehemaligen Lernenden. Rund ein Viertel verfolgt nach der EBA- eine EFZ-Ausbildung. Beruflich integrierte Personen sind zufrieden mit ihrer Situation, Personen ohne Anschlusslösung sind hingegen oft ohne Tagesstruktur und besorgt um ihre berufliche Zukunft.

Beide Ausbildungsgefässe bieten Personen mit unterschiedlichen Problemlagen eine Chance, wie die mehrheitlich hohe Zufriedenheit als Ausdruck einer guten Passung zeigt. Optimiert werden sollte die Koordination der Unterstützung – insbesondere bei Problemen in der Ausbildung (Lehrvertragsauflösungen) und beim Übergang in den Arbeitsmarkt (vgl. Hofmann et al., 2019).

Publikationen

  • Hofmann, C., Müller, X., Krauss, A., & Häfeli, K.
    (2021).
    Transition From Low-Threshold Vocational Education and Training to Work in Switzerland: Factors Influencing Objective and Subjective Career Success.
    International Journal for Research in Vocational Education and Training (IJRVET),
    8
    (2),
    136–159.
  • Hofmann, C., Häfeli, K., & Müller, X.
    (2019).
    Auf Umwegen zum Ziel? Ausbildungseinstieg bei Jugendlichen in einer zweijährigen beruflichen Grundbildung mit Berufsattest in der Schweiz.
    BWP-Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis,
    5,
    21–25.
  • Hofmann, C.
    (2019).
    Lernende in Übergangssituationen im niederschwelligen Ausbildungsbereich: Einschätzungen zur Berufswahl und ersten Erfahrungen im Lehrbetrieb und in der Schule.
    In L. Christian, F. Helga, L. Bettina, & S. Dirk (Hrsg.),
    Inklusive Berufsorientierung und berufliche Bildung - aktuelle Entwicklungen im deutschsprachigen Raum
    Beltz Juventa.
  • Hofmann, C.
    (2017).
    Verzögerter Einstieg, aber Zufriedenheit mit zweijähriger Ausbildung. Befragung von Lernenden bei Ausbildungsbeginn zum Übergang in die Ausbildung und zu ersten Erfahrungen in Schule und Lehrbetrieb.
    Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik,
    23
    (10),
    40–47.
  • Hofmann, C., & Müller, X.
    (2017).
    Transition from school to vocational education for young people with special educational needs: Apprenticeship situation, support and well-being.
    In J. Marcionetti, L. Castelli, & A. Crescentini (Hrsg.),
    Well-being in education systems. Conference Abstract Book. Locarno 2017,
    264–268.
  • Hofmann, C., Müller, X., Häfeli, K., Duc, B., Lamamra, N., & Bosset, I.
    (2017).
    Lernende in Übergangssituationen im niederschwelligen Ausbildungsbereich (LUNA).: Zwischenbericht zur Erstbefragung der Lernenden bei Ausbildungsbeginn.
    Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik.
  • Hofmann, C., Häfeli, K., Duc, B., & Lamamra, N.
    (2016).
    Situation der Lernenden und Bewältigung von Übergängen im niederschwelligen Ausbildungsbereich. Qualitative Vorstudie.
    Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik und IFFP.
  • Sempert, W., & Kammermann, M.
    (2011).
    Über die Problematik der Berufsbildung im niederschwelligen Bereich- Zentrale Ergebnisse und weiterführende Gedanken aus der Evaluation der Praktischen Ausbildung (PrA) INSOS.
    Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik,
    17
    (3),
    16–21.
  • Hofmann, C., Müller, X., Krauss, A., & Häfeli, K.
    (2021).
    Beruflich erfolgreich unterwegs dank niederschwelligen zweijährigen Ausbildungsgefässen? Endergebnisse aus einer längsschnittlichen Befragung von Lernenden.
    In P. Klaver (Hrsg.),
    Heilpädagogische Forschung: Bildung für Alle (Forschungsbericht 2021)
    Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik (HfH).
  • Hofmann, C., Müller, X., Krauss, A., & Häfeli, K.
    (2021).
    Transition from low-threshold vocational education and training to work in Switzerland: Factors influencing objective and subjective career success.
    International Journal for Research in Vocational Education and Training,
    8
    (2),
    136–159.
  • Hofmann, C.
    (2019).
    Lernende in Übergangssituationen im niederschwelligen Ausbildungsbereich: Einschätzungen zur Berufswahl und ersten Erfahrungen im Lehrbetrieb und in der Schule.
    In C. Lindmeiner, H. Fasching, B. Lindmeier, & D. Sponholz (Hrsg.),
    Sonderpädagogische Förderung heute : Inklusive Berufsorientierung und berufliche Bildung - aktuelle Entwicklungen im deutschsprachigen Raum
    (1, S. 358–368).
    Beltz Juventa.
  • Hofmann, C., & Schellenberg, C.
    (2019).
    Der Übergang Schule - (Aus-)Bildung - Beschäftigung in der Schweiz: Ein Überblick mit Fokus auf die berufliche Ausbildung.
    In C. Lindmeier, H. Fasching, B. Lindmeier, & D. Sponholz (Hrsg.),
    Sonderpädagogische Förderung heute: Inklusive Berufsorientierung und berufliche Bildung – aktuelle Entwicklungen im deutschsprachigen Raum
    (S. 194–217).
    Beltz Juventa.
  • Hofmann, C., & Schellenberg, C.
    School to work transition in Switzerland: Results from two studies about influencing factors on transition and early career success
    [Konferenzvortrag].
    Education in an Era of Risk – the Role of Educational Research for the Future,
    Hamburg, Deutschland.
  • Hofmann, C., & Sempert, W.
    Umgang mit Heterogenität in Berufsfachschulen und Ausbildungsinstitutionen
    [Konferenzvortrag].
    Bildungsprozesse in heterogenen Kontexten,
    Basel, Schweiz.
  • Hofmann, C., & Bosset, I.
    Transition from school to work in the context of the Federal VET Certificate: Influencing factors and subjective reasons of premature interruption of training
    [Konferenzvortrag].
    The end of VET as we know it? Skills development in times of technical and social change,
    Zollikofen, Schweiz.
  • Häfeli, K., & Hofmann, C.
    Chancen und Risiken einer EBA- und PrA-Ausbildung – Herausforderungen für die Zukunft.
    VAS-Fachtagung: Arbeitsagogik in der Sonderschule,
    Elgg, Schweiz.
  • Hofmann, C.
    Heterogenität bei PrA- und EBA-Lernenden – Eine Herausforderung für die Berufsbildung: Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt «LUNA».
    INSOS-Fachtagung,
    Solothurn, Schweiz.
  • Hofmann, C., Krauss, A., Müller, X., & Häfeli, K.
    Erfolgreicher Berufsabschluss und dann? Ergebnisse aus der Längsschnittstudie LUNA.
    HfH-Forschungskolloquium,
    Zürich, Schweiz.
  • Hofmann, C., & Schellenberg, C.
    Jugendliche zwischen Traumberuf und Realität: Erfolgreiche neue Ansätze in der Berufswahlvorbereitung.
    HFH-Tagung: Jugendliche zwischen Traumberuf und Realität: Erfolgreiche neue Ansätze in der Berufswahlvorbereitung,
    Zürich, Schweiz.